06.07.2013
Snowden und die Konsequenzen
Snowden kann einem wirklich leid tun. Auch hoffe ich, dass dieser eine Möglichkeit findet, den Rest seines Lebens ohne permanente Bedrohung für Freiheit oder sogar Leben zu verbringen.
Doch wäre es kaum in Snowdens Interesse, wenn sich alle nur um eine Asylmöglichkeit für ihn bemühen. Immerhin handelt er aus politischer Motivation.
Dass Geheimdienste in anderen Ländern aktiv sind, ist keine neue Erkenntnis. Jahrzehntelang war das Echelonsystem in Europa aktiv, bekanntermassen mit einer Station in Bad Aiblingen. Im Irak-Krieg forderte der bayrische Innenminister Beckstein sogar, diese Anlage mit Panzern zu schützen.
Soviel zum politischen Willen, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durchzusetzen. Noch schlechter sieht es mit der Fähigkeit hierzu aus.
Überwacht werden kann zweierlei: Die Existenz von Kommunikation zwischen TeilnehmerInnen sowie der Inhalt derselben. Letzterer lässt sich - auch durchaus effektiv und ohne großen technischen Mehraufwand - durch Verschlüsselung unterbinden. Ersteres benötigt Anonymisierung, die wiederum schwieriger zu realisieren ist und nicht nur die jeweiligen TeilnehmerInnen betrifft.
Im Netz der Netze ist jedeR TeilnehmerIn gleich. Außer, an bestimmten Stellen wird der Datentransfer mitgelesen. Dies ist effektiv per Verschlüsselung abstellbar. Warum wohl konnte eine Unterseeleitung abgehört werden als denn, weil offensichtlich die Verschlüsselung dieser Leitung nicht erwünscht war.
Technische Lösungen sind normalerweise keine Lösung für gesellschaftliche Probleme. Allerdings garantieren die Staaten aktuell weder real die Grundrechte der Menschen, für die sie verantwortlich sind, noch kann die Existenz des Internets in dieser Form langfristig aufrechterhalten werden. Am besten wäre es, wenn die Menschen sich selbst hierum kümmern würden, keine persönlichen Daten unverschlüsselt versenden, keine entsprechenden Daten auf unverschlüsselten Festplatten verwenden würden. Nur entspricht dies nicht der Realität und auch nicht der Lebenspraxis der Meisten.
Die Menschen verwenden die Technik, die sie gewohnt sind und sind nicht bereit, mehr Stress in technischer und sozialer Hinsicht in Kauf zu nehmen, um selbst für eine höhere Grundrechtepraxis zu sorgen.
Was wir brauchen sind im nationalstaatlichen Paradigma staatliche Vorgaben, Gesetze, über deren Einhalt das Strafrecht wachen würde. Doch diese Instanz gibt es im Internet nicht. Und für eine entsprechende Instanz gäbe es auch keine Akzeptanz.
Was jedoch möglich ist, sind internationale Absprachen, was als Mindeststandards in den nationalen Gesetzen zum Umgang mit Daten vorgeschrieben wird. Vorgaben, auf die sich jedeR weltweit verlassen kann und gegen deren Verstoß zivilrechtlich mit Schadensersatzforderungen vorgegangen werden kann. Statt in dem Bestehenden zuzuschauen, wie Grundrechte gemeinsam mit dem Internet zerfallen, brauchen wir eine Netzinfrastruktur plus begleitender Gesetzgebung, die Mindeststandards für das Internet als tatsächlich autonome, sichere Kommunikationsbasis unserer Gesellschaft entwirft, diese sicherstellt, aber dennoch Raum für technische Entwicklungen lässt.
Dann müssen Menschen wie Snowden auch keine Asylanträge mehr stellen. Was uns nicht davon abhalten sollte, wieder ein Asylrecht für alle zu schaffen. Denn langfristig wollen wir weiterhin eine Welt ohne Grenzen, seien sie real oder virtuell.
Werner Hager